
Ein wichtiges Thema ist die Überlieferung der Bibel. Wie genau sind die heute vorliegenden Schriften, wenn man sie bis zur Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert nur von Hand vervielfältigen konnte und die Geschehnisse am Anfang vielleicht sogar nur mündlich überliefert wurden? Konnten sich nicht im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Fehlern einschleichen?
Lange Zeit nahm man an, die Menschheit hätte die Schrift erst um das Jahr 1000 v. Chr.
                  entwickelt. Ereignisse aus früherer Zeit seien bis dahin nur mündlich von Generation
                  zu Generation mitgeteilt worden. Mose konnte daher nicht der Autor der »Fünf Bücher
                  Mose« sein, da er um 1500 v. Chr. lebte. Bis heute hält sich die Theorie, die fünf
                  Bücher Mose seien erst während und nach dem babylonischen Exil, also nach 600 v. Chr.,
                  entstanden. Ihr Inhalt sei darum nur gleichnishaft zu verstehen, stelle aber keine
                  historische Realität dar.
Funde von Tontafeln belegen jedoch, dass bereits um 3000 v. Chr. im Nahen Osten hochentwickelte
                  Zivilisationen entstanden waren. Um 2000 v. Chr. waren bei den Sumerern selbst einfache
                  Leute des Schreibens mächtig. Man fand nicht nur Verträge, sondern auch Briefe von
                  Frauen an ihre Männer auf Handelsreise, in denen sie Alltägliches berichten, z.B.
                  das Wohlergehen der Kinder oder Probleme bei deren Erziehung. Sogar Schreibübungen
                  aus der Schule wurden entdeckt.
In der Ausgrabungsstätte von Ebla nahe der Stadt Aleppo in Syrien fand man eine Bibliothek
                  aus der Zeit um 2500 v. Chr., die 16.000 beschriftete Tontafeln enthielt. Diese zeigen,
                  dass bereits in dieser frühen Zeitepoche das Schreiben sehr verbreitet war.
Manche Archäologen, z. B. P. J. Wiseman, nehmen daher an, dass bereits Abraham, der
                  um das Jahr 2000 v. Chr. lebte, schreiben konnte und seine Erlebnisse auf Tontäfelchen
                  festhielt, die er an seine Nachkommen weitergab.
Mose nun, der in Ägypten am Hof des Pharao aufwuchs, dürfte dort problemlos Zugang
                  zum gesamten Geschichtswissen seiner Zeit gehabt haben; als Nachkomme Abrahams wohl
                  ebenso zu dessen Tafeln, vielleicht sogar zu Dokumenten von Noah oder gar Adam, wie
                  Wiseman u.a. vermuten. Da er die damals bestmögliche Bildung genoss, wäre er sowohl
                  methodisch als auch schriftstellerisch in der Lage gewesen, diese Schriften in seinem
                  ersten Buch redaktionell zu verarbeiten. Für die vier anderen Bücher Mose käme er
                  dann in jedem Fall als Autor in Betracht, da sie den Auszug aus Ägypten und die Wüstenwanderung
                  des Volkes Israel aus seiner Sicht schildern.
               
Nach dem Talmud sollten jüdische Gelehrte beim Kopieren der Heiligen Schriften strenge Regeln befolgen: Kein einziger Buchstabe dürfe aus dem Gedächtnis geschrieben werden. Am Ende einer Spalte würden die Buchstaben gezählt. Bei Unstimmigkeiten oder Schreibfehlern, müsse man nochmal ganz von vorne beginnen! Dadurch sei eine exakte Kopie gewährleistet. In der Praxis waren die Schreiber peinlich bemüht, den Text buchstabengetreu zu kopieren, Untersuchungen zeigten jedoch, dass sich in den alten Handschriften trotzdem hier und da kleine Unterschiede eingeschlichen hatten, allerdings nur unbedeutende, also den Sinngehalt des Textes nicht verändernde Fehler.
Die Masoreten, eine Gruppe jüdischer Gelehrter, kopierten ab dem 3. Jahrhundert nach
                  Christus wieder und wieder die jüdischen Heiligen Schriften (das Alte Testament) gemäß
                  dieser Regeln, sobald eine Kopie Gebrauchsspuren trug und damit unbrauchbar wurde.
                  Sie bewahrten dadurch den Text beinahe originalgetreu. Diese Genauigkeit ist eine
                  in der gesamten Geschichte einmalige Meisterleistung.
Heutige Bibelübersetzungen greifen für das Alte Testament auf diesen masoretischen
                  Text zurück. Da dieser jedoch im Vergleich zur griechischen Septuaginta bearbeitet
                  wurde, gibt es stellenweise geringe Abweichungen zwischen dem Alten Testament selbst
                  und den Zitaten daraus im Neuen Testament, dessen Autoren aus der Septuaginta zitierten.
                  Die meisten dieser Abweichungen sind jedoch unbedeutend.
               
Die Septuaginta: Als Folge der Eroberung Judas durch Nebukadnezar im Jahre 587 v. Chr. flohen viele Juden nach Ägypten und ließen sich dort nieder. Insbesondere in der von Alexander dem Großen gegründeten Stadt Alexandria entstand eine einflussreiche jüdische Gemeinde. Da sich die Juden mehr und mehr dem griechischen Umfeld anpassten und auch die griechische Sprache übernahmen, benötigten sie die Heilige Schrift auf Griechisch.
Die Übersetzung wurde um das Jahr 200 v. Chr. in Alexandria angefertigt. Ihr Name,
                  »Septuaginta« = »Siebzig«, kommt daher, dass angeblich siebzig jüdische Gelehrte genau
                  siebzig Tage zu ihrer Fertigstellung benötigten.
Sie enthält das gesamte Alte Testament und entkräftet dadurch Vorwürfe, Vorhersagen
                  der Propheten über Jesus seien erst nachträglich ergänzt worden. Dann müsste es Exemplare
                  geben, die diese Ergänzungen nicht enthalten. Das ist aber nicht der Fall. Somit kann
                  angenommen werden, dass bereits 200 v. Chr. das Alte Testament in der Form vorlag,
                  wie wir es heute kennen und dass nichts erst nach dem Leben Jesu daran verändert wurde.
Die ersten Christen griffen auf die Septuaginta zurück, denn auch für sie war Griechisch
                  die wichtigste Sprache. Das Neue Testament wurde ohnehin auf Griechisch verfasst,
                  so dass die ersten christlichen Bibeln in griechischer Sprache vorlagen.
Dadurch jedoch verloren die Juden ihr Interesse an der Septuaginta und wandten sich
                  wieder dem hebräischen Original zu.
               
Auch das Neue Testament wurde überwältigend genau überliefert. Zwar fehlen bis heute sämtliche Originale, dennoch stimmt der heutige Text mit alten Funden völlig überein. Der »Codex Sinaiticus«, den Konstantin von Tischendorff im Katharinenkloster am Berg Sinai entdeckte, datiert etwa auf das Jahr 350. Er enthält 199 Bögen des Alten und das gesamte Neue Testament. Dadurch und durch andere Funde erhielt die Forschung große Sicherheit bei der Rekonstruktion des originalen Textes, der als Grundlage für unsere heutigen Übersetzungen dient.
Im Jahre 1947 entdeckte ein Beduinenjunge, der bei Qumran am Toten Meer eine entlaufene Ziege suchte, eine Höhle. Diese enthielt luftdicht verschlossene Tonkrüge, in denen gut erhaltene Schriftrollen aufbewahrt wurden. Vermutlich wurden sie von den Bewohnern der nahegelegenen Essener-Siedlung dort deponiert, als die Römer im Jüdischen Krieg heranrückten. In den folgenden Jahren wurden auch in anderen Höhlen Schriftrollen und Fragmente entdeckt.

Die Qumranrollen haben die Glaubwürdigkeit der Bibel weiter untermauert. Die entdeckten Tonkrüge enthielten Schriftrollen und Schriftrollenfragmente von erstaunlich guter Qualität. Diese wurden im 1. Jahrhundert n.Chr. dort versteckt und überdauerten fast 2000 Jahre.
Man fand dort das gesamte Alte Testament, das mit dem heute durch die Masoreten bekannten
                  Text weitgehend übereinstimmt. Zwar gibt es an einigen Stellen Abweichungen der Schreibweisen
                  und Satzzeichen, der Inhalt und somit die Botschaft ist jedoch dieselbe. Darüberhinaus
                  förderte man Fragmente einiger neutestamentlicher Texte zutage, so beispielsweise
                  einen Teil des Markusevangeliums. Einige Forscher glauben, dass er sich auf das Jahr
                  40–50 n.Chr. datieren lässt. Wenn sie recht hätten, würde dies eine Entstehungszeit
                  von nur etwa 10 Jahren nach den Ereignissen um Jesus belegen.
Die Höhlen von Qumran lieferten also der biblischen Erforschung einzigartige Hinweise
                  auf die Authentizität der heute vorliegenden Texte. Außerdem fegten sie Unklarheiten
                  zwischen dem masoretischen Text und der Septuaginta vom Tisch und sie widerlegten
                  bibelkritische Theorien, dass nämlich diverse Schriften des Alten Testaments erst
                  nach Christus entstanden sein sollen.
Leider aber boten sie auch viel Stoff zu unguten und verwirrenden Spekulationen. In
                  dem Buch »Verschlusssache Jesus« beispielsweise wird behauptet, die Funde von Qumran
                  bewiesen die Unwahrheit der Evangelien und würden im Vatikan unter Verschluss gehalten,
                  damit diese »Wahrheit« nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Es wird behauptet, die
                  Christen seien eine militante Widerstandsgruppe gewesen, mit Jesu Bruder Jakobus als
                  Anführer. Paulus sei ein Spion gewesen, der sich in die militante Christengruppe einschlich
                  und die Hinrichtung des Revolutionärs Jesus zu einem religiösen Sühnetod verfälschte
                  und somit aus einem aufständischen Juden (Jesus) ein göttliches Wesen kreierte.
Später räumten Qumran-Forschern mit diesen Märchen auf. Die Schriftfunde von Qumran
                  liegen denn auch nicht im Vatikan unter Verschluss, sondern sind im Israelmuseum in
                  einem eigens dafür errichteten Gebäude, dem »Schrein des Buches«, ausgestellt.
               
Kein anderer historischer Bericht der Antike ist nach den Kriterien der Geschichtswissenschaft so gut erhalten und folgt gleichzeitig den geschilderten Ereignissen zeitlich so nah! Er entstand, als die Augenzeugen der Ereignisse noch am Leben waren.
Von den meisten anderen Werken der antiken Literatur liegen übrigens keine Kopien vor, die vor dem 8. Jahrhundert entstanden. Trotzdem käme niemand auf den Gedanken, dass z.B. Julius Cäsar das, was wir heute in seinem Werk »Der Gallische Krieg« lesen, gar nicht so verfasst hätte. Es gibt sicherlich viele ideologische und weltanschauliche Gründe, warum an die Bibel andere Maßstäbe gelegt werden.
