Wahrhaft einzigartig: die Grabeskirche in Jerusalem.
Wenn sechs christliche Denominationen in einem Kirchengebäude untergebracht sind, könnte man eigentlich davon ausgehen, dass sie gemäß der Forderung Jesu dies in einer liebevollen Einheit tun. Um die Grabeskirche in Jerusalem aber werden von nahezu jeder Konfession Besitzverhältnisse angemeldet, die nicht immer in brüderlicher Nächstenliebe ausgehandelt werden:
Da es für die Außenfassade der Grabeskirche keine Regelung gibt, ist eine bauliche Veränderung stets eine Angelegenheit aller Denominationen. Deshalb sieht man auch heute noch die berühmte Leiter, die an das rechte obere Fenster über der Eingangstür angelehnt ist. Es gab wohl schon Beratungen, was mit dieser Leiter geschehen sollte. Da man sich allerdings nie einigen konnte, blieb sie an Ort und Stelle. Und das schon seit geraumer Zeit. Den ältesten Hinweis gibt ein Gemälde, das Ende des 19. Jahrhunderts gemalt wurde, auf dem die Leiter auch schon an dem Fenster lehnt. An exakt derselben Stelle.
Ist dieser Zustand der Christenheit in der Grabeskirche ein Bild für die innere Zerstreutheit der Christen? Wann werden Christen die Nachfolge Jesu Christi und die Liebe wieder an die erste Stelle vor den lehrmäßigen Eigenheiten setzen?
Die Krönung dieser blamablen Darstellung der Christen in der Grabeskirche ist, dass der Schlüssel für die einzige Eingangstür seit über 800 Jahren in den Händen von zwei moslemischen Familien ist. Es handelt sich um die Familien Nusseibeh und Dschudeh, die den bislang einzigen Eingang seit der Niederlage der Kreuzritter gegen Sultan Saladin im 12. Jahrhundert hüten. Die Mitglieder dieser Familien wandern jeden Morgen bei Sonnenaufgang zur Grabeskirche, um ihre schwere Holztür zu öffnen. Punkt 20.00 Uhr am Abend wird das Gotteshaus mit dem 25 Zentimeter langen Schlüssel wieder abgesperrt, danach wird er traditionell wieder im Haus der Nachbarsfamilie Dschudeh abgegeben. Die molemischen Familen treten auch als Schlichter auf, falls es Streitigkeiten unter den »christlichen« Hausherren gibt.
Im Blick auf das Jubiläumsjahr 2000 hat das israelische Tourismusministerium aus Sicherheitsgründen auf eine zweite Tür gedrängt. Die Regierung hätte gerne eine hölzerne Pforte zum neuen Ausgang ausgebaut, die schon zu Zeiten der Kreuzfahrer einmal als Weg nach draußen diente und heutzutage in einen Lagerraum führt. Die armenisch-orthodoxe Kirche lehnte diese Stelle ab und befürwortet statt dessen einen neutralen Standort, wo die drei Haupthüter sich die Aufsicht teilen sollten. Die Armenier wollten einen Ausgang an der Stelle, wo sich heute noch die öffentlichen Toiletten befinden. Dieser Ausgang würde jedoch zur nahegelegenen Moschee führen. Und das wiederum lehnten die Israelis ab.
Nach fünfjährigem Streit und einem prinzipiellen Entschluss für eine zweite Tür im Jahr 1999 – bei deren Fertigstellung die Kirchenvertreter einen Schlüssel dafür bekommen würden – steht die tatsächliche Umsetzung des Vorhabens scheinbar immer noch aus.
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