Trotz wechselnder Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel (heute: Istanbul) gab es vor der Zeit der Kreuzfahrer keinen Versuch, im Heiligen Land eine westliche, vom orthodoxen Patriarchat unabhängige Kirche zu errichten. Erst während der Kreuzfahrerzeit bestand zwischen 1099 und 1291 das lateinische Patriarchat von Jerusalem, das erst 1847 seinen Dienst wieder aufnehmen konnte.
In der Zwischenzeit lag die Verantwortung für die lokalen Gemeinden bei dem Franziskanerorden, der seit dem 14. Jahrhundert der Kustos, also der Vorsteher des Ordens, der eine Art Botschafter des Vatikans für die Heiligen Stätten der Lateiner im Heiligen Land war.
Heute wird die lateinische Kirche in Jerusalem von einem Patriarchen geleitet, dem drei Vikare (in Nazareth, Amman und Zypern) zur Seite stehen. Die Gemeinschaft in Israel zählt etwa 20.000 Mitglieder (mit weiteren 10.000 in den Gebieten der West-Bank und dem Gaza-Streifen).
Die Kirche der Maroniten ist eine christliche Gemeinschaft syrischen Ursprungs, deren Mitglieder heute mehrheitlich im Libanon leben. Die Maroniten sind seit 1182 formal an die römisch-katholische Kirche angegliedert. Sie ist die einzige Ostkirche, die völlig katholisch ist. Als eine unierte Körperschaft (eine an die römisch-katholische Kirche angegliederte Ostkirche mit jeweils eigener Sprache, eigenem Ritus und kanonischen Gesetzen) besitzen die Maroniten eine eigene Liturgie, die ihrem Wesen nach ein antiochenischer Ritus in alt-syrischer Sprache ist. In Israel gibt es zirka 6700 Maroniten, von denen die meisten in Galiläa leben. Das maronitische Patriarchalvikariat in Jerusalem wurde 1895 gegründet.
Die griechisch-melchitische Kirche entstand 1724 in der Folge eines Schismas, d.h. einer aus kirchenrechtlichen Gründen entstandenen Kirchenspaltung, in der griechisch-orthodoxen Kirche von Antiochia. Der Begriff »Melchiten« reicht ins 4. Jahrhundert zurück und bezieht sich auf die einheimischen Christen, die die Glaubenssätze des Konzils von Chalcedon annahmen und somit dem »kaiserlichen« Sitz von Konstantinopel verbunden blieben.
Eine griechisch-katholische Erzdiözese wurde 1752 in Galiläa gegründet. Zwanzig Jahre später wurden die griechischen Katholiken in Jerusalem dem melchitischen Patriarchen von Antiochia unterstellt, der in Jerusalem durch einen Patriarchalvikar vertreten wird. Die gegenwärtige Mitgliederzahl der griechisch-katholischen Diözese in Galiläa beträgt zirka 50.000; die Diözese von Jerusalem hat etwa 3000 Mitglieder.
Die syrisch-katholische Kirche, eine unierte Absplitterung der monophysitischen syrisch-orthodoxen Kirche, ist seit 1663 an Rom angegliedert. Die syrischen Katholiken haben ihr eigenes Patriarchat (Sitz in Beirut). Seit 1890 ist ein Patriarchalvikar in Jerusalem als geistlicher Betreuer für eine kleine einheimische Gemeinde von 350 Mitgliedern in der Stadt und in Bethlehem zuständig. Im Juli 1985 konnte die Gemeinde ihre neue Patriarchalkirche in Jerusalem weihen, die dem Heiligen Thomas, dem Apostel der Völker in Syrien und Indien, gewidmet ist.
Die armenisch-katholische Kirche trennte sich von der armenisch-orthodoxen Kirche im Jahre 1741, obwohl bereits zuvor eine armenische Gemeinschaft in Cilicien (im Süden Anatoliens) seit der Kreuzfahrerzeit mit Rom in Kontakt gestanden hatte. Der armenisch-katholische Patriarch residiert in Beirut, weil die Behörden des Osmanischen Reiches seine Residenz in Konstantinopel ablehnten. Ein Patriarchalvikariat wurde 1842 in Jerusalem errichtet. Die armenisch-katholische Gemeinde im Heiligen Land hat ungefähr 900 Mitglieder, die in Jerusalem, Bethanien, Ramallah, Haifa und Gaza leben. Trotz der Union mit Rom unterhält die Kirche gute Beziehungen zur armenisch-orthodoxen Kirche. Beide Kirchen arbeiten zum Wohl der gesamten Gemeinschaft eng zusammen.
Die koptisch-katholische Kirche ist seit 1741 mit der römisch-katholischen Kirche uniert. Doch erst 1955 ernannte der unierte koptisch-katholische Patriarch von Alexandria einen Patriarchalvikar in Jerusalem, wo die Gemeinschaft heute ungefähr 35 Mitglieder hat.
Die chaldäisch-katholische Kirche ist als unierte Kirche die Nachfolgerin der alten nestorianischen (assyrischen) Kirche. Ihre Mitglieder haben die altsyrische Sprache in Liturgie und Gebet bewahrt. Die Kirche wurde 1551 gegründet. Ihr Patriarch residiert in Bagdad. Die Gemeinschaft im Heiligen Land zählt nur wenige Familien. Trotzdem besitzt die chaldäisch-katholische Kirche den Status einer »anerkannten« religiösen Gemeinschaft in Israel. Seit 1903 werden die Chaldäer in Jerusalem durch einen nicht ansässigen Patriarchalvikar vertreten.
Von größter Bedeutung für die katholischen Kirchen im Heiligen Land war die Unterzeichnung eines Grundlagenabkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel am 30. Dezember 1993. Das Abkommen führte zur Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten einige Monate später.
Papst Johannes Paul II. brach am 20. März 2000 zur historischen Reise ins Heilige Land auf. Nach dem Besuch des Bergs Nebo und des östlichen Jordanufers reiste das Oberhaupt der katholischen Kirche nach Israel weiter. Obwohl der gebrechliche, damals 79-jährige Papst in seinen 22 Dienstjahren 120 Länder besucht hat, war er bisher noch nie nach Israel gereist. Dies hatte hauptsächlich politische Gründe, da der Vatikan, wie bereits erwähnt, erst wenige Jahre zuvor Israel als souveränen Staat anerkannte. Papst Paul VI., der das Heilige Land 1964 besuchte, erwähnte Israel mit keinem Wort! Nach Ansicht vieler Israelis, Politiker ebenso wie jüdischer Geistlichen, bedeutete die Reise Johannes Pauls II. einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen Juden und Christen und den Aufbruch in eine neue, brüderliche Zukunft. Der berühmte israelische Schriftsteller Amos Oz sagte: »Es war eine Reinigung.«
In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem entschuldigte sich der Papst für die Verbrechen der katholischen Kirche an jüdischen Menschen und (indirekt) für das Schweigen im Dritten Reich und bat um Vergebung:
»Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus versichere ich dem jüdischen Volk, dass die Kirche - allein aus dem Geist der Wahrheit und der Liebe heraus und nicht aus politischen Erwägungen - tieftraurig über den Hass, die Verfolgung und den offen zur Schau getragenen Antisemitismus ist, den Christen jemals und wo auch immer auf der Welt gegen Juden gerichtet haben. Die Kirche lehnt jede Form des Rassismus ab, weil dieser direkt gegen das Abbild unseres Schöpfers gerichtet ist, das sich in jedem Menschen widerspiegelt. An diesem Ort feierlicher Erinnerung bete ich, dass unsere tiefe Anteilnahme für die Tragödie, die den Juden im 20. Jahrhundert widerfahren ist, zu einer neuen Beziehung zwischen Christen und Juden führen wird. Lasst uns eine neue Zukunft bauen, in der es keine antijüdischen Gefühle unter Christen oder antichristliche Gefühle unter Juden gibt, sondern nur gegenseitigen Respekt derer, die an ein und denselben Gott glauben.« (1)
An der Klagemauer bat der Papst ebenfalls auf einem Gebetszettel, den er in die Ritzen der Mauer steckte, um die Vergebung der Sünden der christlichen Kirchen gegenüber dem jüdischen Volk.
Johannes Paul II. besuchte biblische Stätten in Jerusalem, Nazareth, Bethlehem und am See Genezareth. Vor zahlreichen Pilgern hielt er in der Grabeskirche und an weiteren historisch wichtigen Plätzen Heilige Messen ab.
Unter der israelischen Bevölkerung schuf der Papst ein nie gekanntes Vertrauen in die Christenheit und lenkte die Aufmerksamkeit indirekt auch auf Jesus Christus: Die Medien berichteten anlässlich der Papstreise sehr viel über das Leben und Wirken Jesu, was von messianischen Gemeinden in Israel begrüßt wurde.
Die Palästinenser waren damals eher enttäuscht vom Papstbesuch: Zwar betonte er ihr Recht auf Heimat, doch ging er wenig auf politische Provokationen durch Demonstrationen, Fahnen und Luftballons ein. Vor allem zeigte er sich als Judenfreund und sein Besuch galt in erster Linie Israel.
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(1) Papst Johannes Paul II., zitiert in: www.israelnetz.de, März 2000
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