Der arabisch-jüdische Konflikt ist viel älter als der Staat Israel. Oft wird behauptet, das Zusammenleben von Juden und Arabern sei in vergangenen Jahrhunderten unproblematisch und harmonisch gewesen. Dies war jedoch selten der Fall. Lange vor der Staatsgründung Israels wurden Juden im Nahen Osten und in Nordafrika unter muslimischer Herrschaft unterdrückt und als minderwertige, ungläubige »Dhimmis« misshandelt.
Der Gründung Israels ging der Zerfall des gewaltigen Osmanischen Reiches und die Mandatszeit
Englands und Frankreichs im Nahen Osten voraus. Das französische Mandat umfasste Syrien
und den Libanon, den Engländern gehörte Mesopotamien, also der heutige Irak und Palästina.
Zu Palästina gehörte zu dieser Zeit die Fläche des heutigen Israel, einschließlich
der Westbank (ohne die Golanhöhen) und das später abgetrennte Transjordanien (das
heutige Jordanien).
In der Balfour-Erklärung 1917 sprachen sich die Briten gegenüber den Juden für die
Errichtung einer jüdischen Heimstätte in Palästina aus. Gleichzeitig wurden jedoch
auch den Arabern Gebiete versprochen und Großbritannien trug so zu einer Verschärfung
des Konflikts bei.
Unter dem Namen Palästina ist heute das Gebiet bekannt, auf dem der Staat Israel liegt, einschließlich des sogenannten Westjordanlandes.
Weniger bekannt ist der Ursprung des Namens. In gängigen christlichen Bibelübersetzungen,
z.B. der Lutherbibel, sind die Karten des alten Israel überschrieben mit »Palästina
zur Zeit des Alten Testaments« oder »Palästina zur Zeit Jesu«.
Tatsache ist jedoch, dass der Name Palästina zu biblischer Zeit noch nicht existiert
hat. Erst die Römer haben im 2. Jahrhundert dem von ihnen eroberten Land diesen Namen
gegeben, um die Erinnerung an die soeben vernichtete und vertriebene jüdische Bevölkerung
auszulöschen. »Palästina« ist die lateinische Bezeichnung für das »Land der Philister«.
Die Engländer griffen den Namen »Palästina« wieder auf, um damit ihr Mandatsgebiet
zu bezeichnen, das sie nach dem Ersten Weltkrieg erhielten. 1922 teilte Churchill
das Mandatsgebiet und errichtete ein autonomes Emirat in Transjordanien – auf drei
Vierteln der ursprünglichen Fläche.
Palästinenserpräsident Jassir Arafat bekräftigte durch die Verwendung des Namens »Palästina«
seinen angeblich historischen Anspruch auf das Land. Die palästinensische Flagge zeigt
die Umrisse von ganz Israel, nicht von der Westbank.
Adolf Hitler löschte im Zweiten Weltkrieg ein Drittel des Weltjudentums aus. Die »Shoah« – der Holocaust – forderte sechs Millionen jüdische Opfer. Viele Juden flohen unter großen Anstrengungen ins Mandatsgebiet Palästina, ins Land ihrer Väter. Sie hatten mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Ausreise wurde von den Deutschen verwehrt, die Einreise ins Land der Hoffnung von den Engländern.
Jüdische Untergrundorganisationen schafften es, viele Flüchtlinge einzuschleusen und
so hatte Palästina im Jahr 1948 etwa 650.000 jüdische Bewohner. Am 29. November 1947
stimmte die UNO-Vollversammlung unter dem Eindruck des Holocausts für die Teilung
Palästinas: 33 Staaten stimmten für den Teilungsplan (darunter Frankreich, die USA
und die Sowjetunion), 13 waren dagegen (hauptsächlich muslimische Staaten, aber auch
Griechenland und Kuba). Großbritannien war unter den 10 Staaten, die sich enthielten.
Die jüdische Führung begrüßte die Entscheidung, die Araber jedoch lehnten den Beschluss
entschieden ab.
Mit Berufung auf die Balfour-Deklaration, den Holocaust und den Beschluss der Vereinten
Nationen verkündeten die Juden Palästinas am 14. Mai 1948, wenige Stunden vor Ablauf
des britischen Mandats, den unabhängigen Staat Israel. David Ben Gurion, der erste
Ministerpräsident, verlas die Unabhängigkeitserklärung.
Schon in den ersten Tagen nach der UN-Abstimmung kam es zu schweren Angriffen der Araber auf die jüdische Bevölkerung. Das britische Militär ergriff meist für die arabische Seite Partei.
Der Gründung des Judenstaates folgte ein massiver Angriff der arabischen Nachbarn:
Syrien, der Libanon, Transjordanien, der Irak und Ägypten wollten »die Juden ins Meer
treiben«. Der Unabhängigkeitskrieg dauerte bis zum Februar 1949, als in verschiedenen
Abkommen der Waffenstillstand gesichert wurde.
Über 600.000 israelische Juden, darunter viele Überlebende des Holocaust, hatten sich
erfolgreich gegen die starken arabischen Armeen verteidigt. Das israelische Gebiet
war nun etwas größer als das im UN-Teilungsplan vorgesehene. 6000 Israelis waren im
Krieg gefallen, die arabische Seite hatte mehr als doppelt soviele Opfer zu beklagen.
Dem Waffenstillstand folgte kein Friedensschluss, die arabischen Nachbarn erkannten
Israels Existenz nicht offiziell an.
Der nächste Krieg ließ nicht sehr lange auf sich warten: Bereits 1956 blockierte Ägypten die Zufahrt vom Roten Meer zum Golf von Elat für israelische und nach Israel fahrende Schiffe und rüstete die Sinai-Halbinsel militärisch auf. Ein Bündnis zwischen Syrien und Jordanien verschärfte die Bedrohung des jüdischen Staates.
In einer Kooperation mit Frankreich und England unternahm die israelische Armee einen präventiven Einmarsch in den Sinai und den Gazastreifen. Dem militärischen Erfolg folgte ein Ultimatum der USA und der Sowjetunion an Israel, die besetzten Gebiete preiszugeben. Im Gegenzug wurde Israel die Stationierung von UN-Friedenstruppen an der Grenze zu Ägypten sowie die freie Durchfahrt durch den Golf von Elat zugesichert.
Eine harte Probe für die Existenz Israels war der Sechs-Tage-Krieg im Jahre 1967. Die arabischen Armeen rüsteten sich erneut zu einem gemeinsamen Schlag gegen den jüdischen Staat. Ägypten sperrte die Meerenge von Tiran und überredete die UN-Truppen zum Abzug von der Sinaihalbinsel. Ägypten und auch Syrien hatten ihre Streitkräfte an den Grenzen zu Israel gesammelt und die Bedrohung für den jüdischen Staat war deutlich spürbar. Ein Krieg schien unvermeidlich.
Mit einem Präventivschlag zerstörte Israel am 5. Juni 1967 die Luftwaffe Syriens,
Jordaniens und Ägyptens. Nach sechs Tagen hatte Israel den Gaza-Streifen und den Sinai
erobert. Auch die bisher jordanische Westbank und Ostjerusalem fielen in israelische
Hand. Der Tempelberg und die Klagemauer waren nun im Besitz der Israelis. Im Norden
eroberte Israel die bis dahin syrischen Golanhöhen. Dieser beeindruckende Schlag ging
in die Militärgeschichte ein.
Am 7. Juni 1967 nahmen israelische Soldaten die Altstadt von Jerusalem ein. Auch der
Tempelberg und die Klagemauer, die zuvor unter jordanischer Herrschaft standen, wurden
erobert – Jerusalem war nun vereinigt und wurde später zur Hauptstadt Israels erklärt
– was allerdings international bis zum Jahr 2017 nie anerkannt wurde. Erst dann sorgte
US-Präsident Donald Trump für internationale Verstimmungen, als er ankündigte, er
werde bald die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegen.
Obwohl der Zugang zu den heiligen Stätten zuvor den Juden verwehrt gewesen war, konnten
Muslime nun unter israelischer Herrschaft auch weiterhin auf dem Tempelberg beten.
Israel übergab die Heiligtümer einer autonomen muslimischen Verwaltung.
Israel überraschte die Welt wieder einmal mit einem deutlichen Sieg. 15.000 Ägypter, 6000 Jordanier und 1000 Syrer waren gefallen, auf israelischer Seite starben 700 Soldaten. Nach dem Waffenstillstand am 10. Juni bot Israel seinen Feinden die Rückgabe der neu eroberten Gebiete an – mit Ausnahme von Jerusalem – wenn diese dafür in einen Frieden einwilligten. Dieses Friedensangebot wurde jedoch abgelehnt. Neue Kämpfe um den Sinai brachen 1970 aus. Nach heftigen Gefechten und hohen Verlusten auf beiden Seiten vermittelte US-Außenminister William Rogers einen neuen Waffenstillstand. Der Sinai blieb noch weitere zwölf Jahre im Besitz Israels.
Ein letztes Mal versuchte Ägypten 1973, die Sinaihalbinsel auf militärischem Wege zurückzugewinnen. Gleichzeitig wollte Syrien den Golan zurückerobern. Der Termin für diesen koordinierten Überraschungsangriff war der 6. Oktober 1973. An diesem Tag feierte Israel Jom-Kippur: Versöhnungstag und höchster jüdischer Feiertag.
Die Juden beteten und fasteten, Rundfunk und Verkehr standen still. Da Israels Armee nicht rechtzeitig mobilisiert werden konnte, führte Israel mit mangelnder Artilleriedeckung und ohne Unterstützung der Luftwaffe gegen eine überwältigende Überlegenheit am Boden einen verlustreichen Verteidigungskampf. Nach 18 Tagen akzeptierten alle Seiten einen UN-Waffenstillstand. Israel war weit nach Ägypten vorgedrungen und stand im Kampf gegen Syrien 30 km vor Damaskus. Ein weiteres Mal hatte Israel erfolgreich seine Existenz verteidigt.
Als erster arabischer Staat reichte Ägypten dem jüdischen Volk die Hand zum Frieden. Nach mehreren blutigen Kriegen unterzeichneten der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat und Israels Premierminister Menachem Begin am 26. März 1979 in Washington einen formellen Friedensvertrag. Diesem ging das Camp-David-Abkommen vom 17. September 1978 voraus, das auf der UN-Resolution 242 basierte und von US-Präsident Jimmy Carter ausgehandelt worden war. Damit war der 30-jährige Kriegszustand beendet. Als Folge erhielt Ägypten 1982 den Sinai zurück, den es im Sechstagekrieg verloren hatte und den Ägypten mit gewaltsamen Mitteln nicht hatte zurückerobern können.
Als Reaktion auf dieses Friedensabkommen schloss die Arabische Liga Ägypten als Mitglied
aus und verlegte ihren Sitz von Kairo nach Tunis. Anfang der 1980er Jahre wurde Ägypten
jedoch wieder aufgenommen. 1981 musste Sadat seinen Friedensschluss mit dem Leben
bezahlen – er wurde von islamischen Fundamentalisten während einer Militärparade ermordet.
Nach 46 Jahren beendeten Ministerpräsident Jitzhak Rabin und der 1999 verstorbene
jordanische König Hussein den Kriegszustand zwischen Israel und Jordanien. Im Zuge
des Friedensprozesses mit der PLO wurde am 26. Oktober 1994 ein Vertrag abgeschlossen,
der unter anderem die Anerkennung der Grenzen und die Zusammenarbeit in der Wirtschaft
und der Wasserversorgung festlegte.
Der schwierigste Verhandlungspartner unter Israels Nachbarn ist zweifellos Syrien. Zwar liegt die letzte kriegerische Auseinandersetzung mit dem Jom-Kippur-Krieg im Jahr 1973 schon etliche Zeit zurück; trotzdem ist ein formaler Friede, wie er mit Jordanien und Ägypten besteht, in weiter Ferne.
Im Dezember 1999 kam es in Shepherdstown, USA, zu einem Gipfeltreffen von Ehud Barak und Syriens Außenminister Faruk al-Scharaa. Anfang 2000 trafen sich der amerikanische Präsident Clinton und der syrische Staatschef Hafez Al-Assad in der Schweiz um die Verhandlungen weiterzuführen.
An den Golanhöhen bissen sich die Verhandlungspartner die Zähne aus: Für Syrien ist
ein vollständiger Rückzug aus dem 1967 eroberten Gebiet Voraussetzung für Friedensverhandlungen;
für Israel aber wäre ein solcher Rückzug höchstens im Zuge eines stabilen Friedens
möglich.
Präsident Hafez Al-Assad starb am 10. Juni 2000 im Alter von 69 Jahren und vererbte
sein Amt seinem damals 34jährigen Sohn Bashar. Israel erhoffte sich eine erfolgreichere
Fortführung der Gespräche mit dem neuen Herrscher, doch seit dem Regierungswechsel
liegen die Gespräche auf Eis.
Seit Beginn des 2011 begonnenen Bürgerkriegs in Syrien wird die Grenze auf dem Golan
umso genauer beobachtet und bewacht. Mehrmals gab es israelische Luftangriffe auf
Militärstellungen syrischer Regierungstruppen, überwiegend verhält sich Israel aber
gegenüber den Kampfhandlungen jenseits der Grenze passiv und neutral. Immer wieder
wurden Flüchtlinge nach Israel geholt und medizinisch versorgt.
Der Norden Israels war seit 1970 zunehmenden Terroraktionen durch die PLO ausgesetzt, die vom Südlibanon aus operierte. Nach einer Verschärfung des libanesischen Bürgerkriegs unternahm Israel 1982 die Militäraktion »Frieden für Galiläa«. Israel unterstützte hierbei die libanesischen Christen im Kampf gegen die eindringenden Syrer und drängte die Terroristen der PLO aus dem Südlibanon und Beirut zurück.
Mit seinem militärischen Eingreifen hatte sich Israel in den libanesischen Bürgerkrieg
verstrickt und sah sich einer immer schärferen Kritik der israelischen und internationalen
Öffentlichkeit ausgesetzt. Hunderte von Soldaten kamen durch Hinterhalte und Terroranschläge
ums Leben. Die vom Iran unterstützte Terrorgruppe »Hisbollah« (»Partei Allahs«) hatte
die PLO ersetzt und kämpfte erbittert gegen die Eindringlinge.
1985 zog sich die Armee aus dem größten Teil des Libanon zurück, behielt aber die
Kontrolle über einen schmalen Streifen im Südlibanon, die sogenannte »Sicherheitszone«,
die zum Schutz gegen terroristische Anschläge auf den Norden Galiläas erhalten bleiben
sollte.
In der Zeit danach gab es immer wieder Raketenangriffe und Anschläge von Hisbollah-Terroristen
aus der Sicherheitszone heraus. Vor allem die Bewohner des Grenzgebietes waren Zielscheibe
und mussten immer wieder in ihren Bunkern ausharren. Ein Rückzug aus dem Libanon war
in der Politik Israels immer ein vieldiskutierter Tagesordnungspunkt, da man sich
einerseits davon Frieden erhoffte, andererseits aber dem Libanon nicht traute, da
in den Besatzungsjahren viele israelische Soldaten gefallen waren.
In der Nacht zum 24. Mai 2000 verließ die israelische Armee dann den Libanon. Der
überraschende Rückzug geschah Tage vor dem eigentlich in Erwägung gezogenen Termin.
Die Regierung unter Ehud Barak hatte sich Anfang März des Jahres zum einseitigen Rückzug
entschlossen, nachdem eine friedliche politische Lösung von Syrien und dem Libanon
abgelehnt wurde. 2006 folgte ein neuer Krieg an der Grenze zum Libanon.
Am 9. Dezember 1987 wurde aus dem »Befreiungskampf« der PLO und den Terroranschlägen der Extremisten ein Volksaufstand der palästinensischen Bevölkerung. Ein zufälliges Ereignis war der Funken, der das Pulverfass zur Explosion brachte. Im Gazastreifen verursachte ein israelischer Lastwagenfahrer einen Unfall, bei dem drei Palästinenser ums Leben kamen. Dies löste einen Aufruhr des Volkes auf, erst im Gazastreifen, nach wenigen Tagen auch in Judäa und Samaria.
Eine neue Front war im arabisch-israelischen Konflikt entstanden: Auf der einen Seite
stand die hochgerüstete und gut ausgebildete Armee, auf der anderen Seite unbewaffnete
Männer, Frauen und Kinder. Unbewaffnet – wenn man Steine und Molotow-Cocktails nicht
als Waffen rechnet.
Die Soldaten und mit ihnen die israelische Regierung befanden sich in einem moralischen
Dilemma, die Medien taten ein Übriges dazu. Die Geschichte von David und Goliath war
plötzlich ins Gegenteil verkehrt: Israel als großer, böser Goliath, kämpfte mit Gewehren
gegen Steine schleudernde palästinensische Davids. Die Streitkräfte Israels wurden
als brutale Besatzungsarmee an den Pranger gestellt.
Es zeigte sich, dass der Konflikt nur politisch zu lösen war. Erst 1991, als in Madrid
die israelisch-arabische Friedenskonferenz stattfand, flaute die Intifada ab. Doch
auch die Oslo-Verhandlungen sechs Jahre nach Ausbruch der Intifada verhinderten nicht,
dass es weiterhin immer wieder Terroranschläge und Aufstände gegen die Armee gab.
Laut israelischen Menschenrechtlern kamen bei den Auseinandersetzungen insgesamt über
1000 Palästinenser ums Leben. Darunter waren wohl zahlreiche Terroristen, aber auch
viele Kinder, die an den Straßenkämpfen teilnahmen. In der gleichen Zeit wurden 180
Israelis getötet, meist durch gezielte Terroranschläge.
Im Jahr 2000, als Friedensverhandlungen zwischen Arafat und Ehud Barak nicht die gewünschten
Ergebnisse brachten, begann auf dem Tempelberg in Jerusalem die zweite Intifada.
Passiv verhielt sich Israel im Golfkrieg 1991. Der Irak besetzte Kuwait und wurde daraufhin von einer alliierten Streitmacht unter Führung der USA zurückgeschlagen. Aus Hass gegen den Judenstaat schoss Iraks Diktator Saddam Hussein mehrere Scud-Raketen auf Israel.
Trotz eines drohenden Giftgasangriffs durfte Israel sein Militär nicht einsetzen.
Die Amerikaner befürchteten einen Gesinnungswandel ihrer arabischen Bündnispartner,
wenn Israel in das Kampfgeschehen eingreifen würde.
Als Wunder Gottes empfanden viele Israelis das Ergebnis der Bombardierungen durch
den Irak: Trotz 39 Treffern und tausender zertstörter Häuser starb nur ein Mensch
als unmittelbare Folge der Scud-Einschläge. Nach einem der Raketenangriffe zitierte
ein israelischer Militärsender angeblich bei der Entwarnung Psalm 121,4: »Der Beschützer
Israels schläft und schlummert nicht.«
Am 30. Oktober 1991 begann in Madrid die Nahost-Friedenskonferenz unter amerikanischer und sowjetischer Schirmherrschaft. Erstmals saßen Israelis mit Syrern, Jordaniern, Libanesen und Palästinensern an einem Tisch. Als bei den Wahlen 1992 die Arbeiterpartei an die Macht kam, wurde Jitzhak Rabin Ministerpräsident. Er forcierte die Gespräche mit den Palästinensern und akzeptierte erstmals die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO und den gefürchteten Terroristen Jassir Arafat als Gesprächspartner.
Nach monatelangen Geheimgesprächen im norwegischen Oslo erreichten Israel und die
PLO einen sensationellen Durchbruch in den Verhandlungen. Rabin und Arafat unterzeichneten
am 13. September 1993 in Washington die »Prinzipienerklärung über die vorübergehende
Selbstverwaltung«. Als Vorbedingung sagte die PLO zu, alle Passagen aus ihrer Charta
zu streichen, in denen zur Zerstörung Israels aufgerufen wurde. Dies wurde allerdings
erst im Dezember 1998 umgesetzt.
Das Gaza-Jericho-Abkommen vom 4. Mai 1994 legt die Hauptpunkte des Osloer Friedensprozesses
fest: Rückzug der Armee und Errichtung einer palästinensischen Autonomie in Gaza und
Jericho. Jüdische Siedlungen in diesen Gebieten würden weiterhin militärisch gesichert
werden. Arafat verpflichtete sich im Gegenzug, den Terrorismus zu bekämpfen und somit
Frieden zu garantieren. Entscheidende Fragen wie der Status von Jerusalem wurden nicht
beantwortet und sollten innerhalb von fünf Jahren geklärt werden.
Jitzhak Rabin und Außenminister Shimon Peres erhielten zusammen mit Jassir Arafat im Jahre 1994 den Friedensnobelpreis. Ein Mitglied der Nobelpreiskommission trat aus Protest gegen die Verleihung an den ehemaligen Terroristen zurück, da Arafats »einzige Qualität darin besteht, dass er im Moment nicht so viele Menschen umbringt wie vorher!«, so berichtete 1994 die »Jerusalem Post«.
Rabins territoriale Kompromisse schafften ihm viele innenpolitische Feinde. Der damals 27-jährige Student Jigal Amir erschoss ihn am 4. November 1995 während einer Friedensveranstaltung in Tel Aviv. Dieser erste politische Mord in Israels Staatsgeschichte löste einen Schock in der Bevölkerung aus. Dennoch hielten sich hartnäckig Gerüchte über eine großangelegte Verschwörung und so bleibt der Mord an Rabin ebenso mysteriös wie der an John F. Kennedy. Außenminister Shimon Perez trat die Nachfolge Rabins an, legte jedoch vorgezogene Neuwahlen fest, um sich vom Volk bestätigen zu lassen.
Der Ausgang der Wahlen am 29. Mai 1996 war eine sensationelle Überraschung: Die Oppositionspartei
Likud bekam die Mehrheit und Benjamin Netanjahu wurde neuer Premierminister Israels.
Seine Warnung im Wahlkampf: »Peres teilt Jerusalem!« und »Israel hat die Wahl zwischen
Frieden mit Sicherheit und Frieden auf Kosten der Sicherheit!« ließ das Volk den Friedensprozess
neu überdenken. Die Politik Netanjahus schlug eine andere Richtung ein: Die kompromissbereite
Politik Rabins war vorerst passé. Das Motto »Land für Friede« wurde umformuliert in
»Land für Sicherheit und Friede«.
Im Laufe der Zeit begab sich Netanjahu immer mehr zwischen die Fronten: Die Weltöffentlichkeit,
die linken Israelis und natürlich die Araber machten Netanjahu für das Stocken des
Friedensprozesses verantwortlich. Nationalreligiöse Juden, Zionisten und Siedler wollten,
dass der Ministerpräsident keine Kompromisse in Fragen der Sicherheit einginge und
kein Land an die Araber zurückgäbe.
Nachdem Netanjahu im Wye-Abkommen am 23. Oktober 1998 der Palästinenserführung neue
Zugeständnisse gemacht hatte, geriet die Durchführung ins Stocken, weil jede Seite
die andere beschuldigte, die abgemachten Punkte nicht einzuhalten.
Netanjahu wollte einen sicheren Frieden, und war erst bereit, Land abzugeben, wenn
Arafat dafür Frieden zusichern würde. Solange aber noch nicht über den endgültigen
Status der »besetzten Gebiete« und vor allem Jerusalems beraten wurde, wäre jeder
Abzug eine Landabgabe ohne Gegenleistung gewesen.
Die israelische Opposition, die EU und Amerika forderten die Durchsetzung der Versprechen,
trotz der unvollständigen Erfüllung durch die Palästinenser. Die Koalitionspartner
in der Regierung forderten das Gegenteil: Sie wollten am liebsten kein Land unter
palästinensische Autonomie stellen. In dieser politischen Sackgasse stimmte schließlich
auch Netanjahus Partei vorzeitigen Neuwahlen zu, um für die weitere Vorgehensweise
im Friedensprozess die Mehrheit des Volkes hinter der von wem auch immer geführten
Politik zu haben.
In den westlichen Medien war Netanjahu der Hauptverantwortliche für das Scheitern
der Friedensverhandlungen. Nachdem vorgezogene Neuwahlen für Mai beschlossen wurden,
ließen sich die Medien über den Premier aus und wähnten ihn vor dem »Scherbenhaufen
seiner Politik«.
Im Vorfeld der Neuwahlen gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Netanjahu und dem neuen Führer der Arbeiterpartei, Ehud Barak. Der Westen, die arabische Welt und speziell die Palästinenser hofften auf eine Abwahl des »unnachgiebigen« Regierungschefs Netanjahu.
Ehud Barak wurde neuer Ministerpräsident und das israelische Volk wählte – zum dritten
Mal hintereinander – die politische Wende. Die Hoffnung auf Frieden wuchs in den westlichen
Medien spürbar. So schrieb die deutsche Presse deutliche Worte wie: »Die Nacht von
Montag auf Dienstag war wie das Erwachen aus einem bösen, dreijährigen Traum mit Namen
Netanjahu.«
Barak jedoch stellte klar, dass auch unter seiner Herrschaft eine Teilung Jerusalems
nicht in Frage käme. Das war ein Schlag ins Gesicht für die Palästinenser, die Jerusalem
als Hauptstadt wollten.
Am Ende seiner Amtszeit – er legte Ende 2000 sein Amt nach nicht einmal zwei Jahren
nieder – hatte Barak allerdings den Palästinensern so viele Zugeständnisse gemacht
wie keiner seiner Vorgänger und Arafat sogar mündlich seine Bereitschaft signalisiert,
Jerusalem zu teilen. Trotz dieser Kompromissbereitschaft erreichte er keinen Frieden
für sein Land. Jassir Arafat war nicht zu Kompromissen bereit, wollte aber alle Forderungen
erfüllt haben, auch die Rückkehr der etwa drei Millionen palästinensischen »Flüchtlinge«
nach Israel. Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen in Wye im Sommer 2000 versuchten
die Palästinenser ihren Willen zu Unabhängigkeit mit Gewalt zu unterstreichen. Ende
September begannen mit der Al-Aqsa-Intifada heftige Ausschreitungen von palästinensischer
Seite, die die Aktionen der Intifada 1987 weit in den Schatten stellten.
Mit dem Begriff »Al-Aqsa-Intifada« wird eine Eskalation des Konflikts bezeichnet, als dessen Auslöser oft der Besuch des damaligen Oppositionsführers und späteren Ministerpräsidenten Ariel Scharon auf dem Tempelplatz beschrieben wurde. Doch wohl schon nach dem Scheitern der Verhandlungen in Camp David am 25. Juli 2000 spielte die Palästinenserführung mit dem Gedanken, das Fortschreiten der Verhandlungen mit Gewalt anzutreiben. Der Besuch Scharons war ein Anlass, den man geschickt nutzen konnte, um Israel als Hauptaggressor darzustellen.
In Wahrheit gab es bereits zwei Tage vor dem Besuch ernstere Ausschreitungen in den arabischen Gebieten und auch zwei Attentate. Andererseits war schon im Voraus klar, dass die Palästinenser den Besuch als »Provokation« ansehen würden und um des Friedens willen hätte man ihn unterlassen können. Aber Ariel Scharon wollte als jüdischer Israeli öffentlich von seinem Recht Gebrauch machen, den Tempelplatz zu betreten, der sich offiziell unter israelischer Hoheit befindet. Der Besuch war auch bei der Autonomiebehörde angekündigt worden.
Nach Baraks Abdanken im Dezember 2000 flauten die Unruhen ab und nach den Neuwahlen im Februar griffen die arabischen Extremisten wieder zu ihrer bewährten Waffe gegen den Frieden: Bombenanschläge mitten in Israel, um möglichst viele unschuldige Menschen in den Tod zu reißen.
Schon Anfang März 2001 war die Bilanz des Terrors und der Unruhen seit Ausbruch der
zweiten Intifada erschütternd: 350 Tote waren auf palästinensischer Seite zu verzeichnen,
mitgerechnet auch die zahlreichen Selbstmordattentäter. 63 Israelis verloren ihr Leben,
viele wurden durch Anschläge verletzt und verstümmelt. Der Konflikt wurde offiziell
mit dem Waffenstillstand im Februar 2005 beendet, als sich Ariel Scharon und Mahmud
Abbas im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich die Hand reichten. Israel zählte in
den über vier Jahren 138 Selbstmordanschläge, 460 Angriffe mit Kassam-Raketen sowie
über 13.000 Schussüberfälle. 1036 Israelis wurden getötet und über 7000 verletzt.
Die Palästinenser hatten etwa 3500 Opfer zu beklagen, knapp 1000 davon hielt Israel
für Terroristen.
Die »Liste der palästinensischen Märtyrer«, die damals im Internet zu finden war,
listete Palästinenser auf, die seit Ausbruch der Intifada für den »Freiheitskampf«
gestorben waren. Allerdings waren nach israelischen Angaben in dieser Liste auch Menschen
aufgezählt, die in dieser Zeit eines natürlichen Todes gestorben sind, vorzugsweise
Kinder.
Die Medien spielten während des Al-Aqsa-Aufstands und auch danach eine wichtige Rolle.
Die Palästinensische Autonomieregierung berichtete äußerst einseitig und leider wurden
viele Angaben und Aussagen der arabischen Seite unkontrolliert von den Nachrichtenagenturen
in aller Welt übernommen und in Presse, TV und Rundfunk veröffentlicht.
Obwohl es Friedensanhängern in Israel und aller Welt nicht passte: Nach dem Rücktritt Ehud Baraks am 9. Dezember 2000 wählte das israelische Volk bei den vorgezogenen Neuwahlen am 6. Februar 2001 mit überwältigender Mehrheit von 62 Prozent den Likudkandidaten Ariel Scharon – der höchste Wahlsieg in der Geschichte Israels.
Den Mann, der laut palästinensischer Propaganda und den westlichen Medien dafür verantwortlich
war, dass Ende September die »Al-Aqsa-Intifada« ausgebrochen war. Den Mann, der sogleich
als »Bulldozer« und »Krieger« verschrien wurde. Den Mann, der »seit der Staatsgründung
keinen Krieg verpasst« (so der »Spiegel«) hatte und dem auch die Mitschuld am Massaker
in Sabra und Schatila im Jahr 1982 zugeschrieben wurde. Waren Ariel Scharon und damit
seine Wähler Friedensgegner?
Ariel Scharon führte die Friedensverhandlungen mit härteren Bandagen als sein Vorgänger
Barak, der zuletzt dem Vorschlag des amerikanischen Präsidenten zustimmte und bereit
war, Jerusalem zu teilen. Doch dieses Zugeständnis entsprach bei Weitem nicht dem
Willen des Volkes. Dies zeigte eine Demonstration am 8. Januar 2001, als über 300.000
Menschen auf die Straße gingen, um sich für die ungeteilte Hauptstadt auszusprechen.
Und auch die Abwahl Ehud Baraks zeugte von der Liebe des Volkes zu Jerusalem.
Dagegen zitierte Ariel Scharon in seiner Antrittsrede aus Psalm 137 die Verse 5 und
6: »Wenn ich dich jemals vergesse, Jerusalem, soll meine rechte Hand gelähmt werden.
Meine Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich nicht mehr an dich denke, wenn Jerusalem
nicht mehr meine höchste Freude ist.«
Beim Besuch in Washington im März 2001 legte Scharon die Grundzüge seiner künftigen
Palästinenserpolitik dar: In einem ersten Schritt sollten die Beschränkungen gegen
palästinensische Zivilisten und die Absperrung der Autonomiegebiete gelockert und
im Gegenzug die Sicherheit Israels durch ein Ende der palästinensischen Gewalt wiederhergestellt
werden.
Scharon wollte mit Jassir Arafat verhandeln, doch er erwartete dafür Gegenleistungen:
Die offizielle Aufforderung Arafats an die palästinensische Bevölkerung, die Gewalt
zu beenden. Er wies darauf hin, dass wegen der Gewalt in den Palästinensergebieten
die Zeit für den Abschluss eines endgültigen Abkommens noch nicht reif sei. Erst nach
Beendigung von Terror und Mordanschlägen sollten die Verhandlungen wieder aufgenommen
werden. Dabei müssten beide Seiten realistischer als bisher vorgehen und ein langfristiges
Zwischenabkommen anstreben.
Nach einem halben Jahr im Amt hatte sich im Sommer 2001 am Verhältnis zwischen Israel
und den Palästinensern noch nichts gebessert. Ausschreitungen, Gewalt und Terroranschläge
von palästinensischer Seite hörten nicht auf, Verhandlungen gab es deshalb keine und
die Armee ging teilweise hart gegen die Autonomiestädte vor. Die Politik der gezielten
Tötung von Terroristen war international auf Kritik gestoßen – Vorschläge, wie die
Bekämpfung des Terrors besser gemacht werden könnte, gab es allerdings nicht. Ironischerweise
handelte Amerika im gleichen Zeitraum mit der Verfolgung Osama Bin Ladens nicht anders.
Mit seiner Likud-Partei errang Scharon am 28. Januar 2003 einen erneuten Wahlsieg
und war damit der erste Ministerpräsident seit Langem, der in seinem Amt bestätigt
wurde.
Nach seinen einseitigen Abzugsplänen aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland gab
es einen Bruch innerhalb des Likud. Daher kündigte Scharon im November 2005 seinen
Rücktritt an, gründete die neue Partei Kadima und startete mit guten Chancen in den
Wahlkampf. Nach seinem schweren Schlaganfall übernahm Parteikollege Ehud Olmert am
4. Januar 2006 den Posten des Ministerpräsidenten und wurde schließlich bei der Neuwahl
am 28. März in diesem Amt bestätigt.
In die Regierungszeit Scharons fällt auch die Ausarbeitung der sogenannten »Roadmap«. Das »Nahost-Quartett« – gebildet von der UNO, der USA, der EU und Russland – legte Grundsätze eines Friedensplanes fest, der die Beilegung des Nahostkonflikts zum Ziel hatte sowie ein friedliches Nebeneinander zweier unabhängiger Staaten. Als Fernziel stand die Einleitung von Endstatusverhandlungen mit den schwierigen Themen wie dem Status Jerusalems und dem Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge. Davon blieb man aber meilenweit entfernt.
Ein einziges Mal reichte Ariel Scharon seinem Widersacher Mahmud Abbas die Hand: Im Februar 2005 beendeten die beiden in Scharm El-Scheich mit einem Waffenstillstand nach über vier Jahren offiziell die Al-Aqsa-Intifada.
Nachdem UNO-Generalsekretär Kofi Annan im Februar 1998 Saddam Hussein vor einem erneuten großen Angriff der USA noch zum Einlenken bewegen konnte, standen die Zeichen Anfang 2003 endgültig auf Krieg. Amerika und sein Präsident George W. Bush – der Sohn des während des Golfkriegs 1991 amtierenden Präsidenten – misstrauten den Friedensabsichten des Diktators. Der vermeintliche Besitz von Massenvernichtungswaffen, die Unterstützung des weltweiten Terrorismus und die mangelnde Unterstützung der UNO-Waffeninspekteure hatten zur Verlagerung eines riesigen Militäraufgebots von über etwa 100.000 amerikanischen Soldaten in die Golfregion geführt.
Der Krieg mit dem Titel »irakische Freiheit« begann am 20. März 2003 und ließ chemische
oder biologische Raketenangriffe wieder zu einer ganz realen Gefahr für die israelische
Bevölkerung werden. Die Regierung forderte zum Mitnehmen von Gasmasken und dem Einrichten
von »versiegelten Räumen« auf. Dennoch unterstützte die Mehrheit der Israelis diesen
Krieg und sahen im Sturz Saddam Husseins die Abwendung einer atomaren Bedrohung des
jüdischen Volkes von Seiten des Irak.
Der Krieg endete nach etwas mehr als einem Monat mit der Kapitulation der irakischen
Streitkräfte. Es ist den amerikanischen Besatzern jedoch bis heute nicht gelungen,
eine stabile Regierung zu etablieren und die herrschenden bürgerkriegsähnlichen Zustände
zu beenden.
Der zweite Libanonkrieg begann am 12. Juli 2006 und dauerte einen Monat. Die vom Libanon aus operierende Terrorgruppe Hisbollah hatte Nordisrael mit Raketen beschossen und zwei israelische Soldaten entführt sowie acht weitere Soldaten getötet. Schon vor dem Abzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon im Jahr 2000 hatte die Hisbollah (»Partei Allahs«) einen erbitterten Guerilla-Krieg gegen die »Besatzer« geführt.
Zu Beginn des Kriegs verhängte Israel eine Seeblockade an der libanesischen Küste
und startete Luftangriffe auf Hisbollah-Stützpunkte im gesamten Land. Israels UN-Botschafter
Danny Gillerman machte die Regierung des Libanon mitverantwortlich für den Konflikt:
Anstatt nach Israels Truppenabzug im Sommer 2000 die Hisbollah zu entwaffnen, hatte
sich die Regierung und das libanesische Militär zurückgehalten und die vom Iran unterstützte
Hisbollah-Miliz gewähren lassen. Die Lage spitzte sich auch im Gazastreifen zu: Tausende
Palästinenser bejubelten die Glaubensbrüder aus dem Norden und verteilten nach Raketenangriffen
auf Israel Süßigkeiten. Sogar im muslimischen Viertel Jerusalems sang man Loblieder
auf Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah.
Die Hisbollah schoss Raketen auf Haifa, Safed, Maalot, Akko, Tiberias und andere Orte
im Norden Israels. Dabei starben insgesamt über 40 Zivilisten und etwa 120 Soldaten.
Auf libanesischer Seite kamen etwa 1200 Menschen ums Leben, die Hisbollah hatte nach
eigenen Angaben 250 Tote zu beklagen, nach Angaben der israelischen Armee mehr als
500.
Als Wendepunkt des Krieges und Auslöser heftiger internationaler Reaktionen gilt der
Angriff Israels am 30. Juli 2006 auf den Ort Kana im südlichen Libanon. Dabei starben
27 Personen, die sich in einem mehrstöckigen Gebäude aufhielten. Die israelischen
Streitkräfte gaben an, aus der unmittelbaren Umgebung seien wiederholt Katjuscha-Raketen
abgefeuert worden und man hätte die Bewohner vor der Bombardierung zum Verlassen des
Gebäudes aufgefordert. Amnesty International warf Israel »Kriegsverbrechen« vor und
UN-Generalsekretär Kofi Annan verurteilte den Angriff scharf. Die einseitige Berichterstattung
zuungunsten Israels trat nach diesem Ereignis besonders deutlich zutage: Unmittelbar
nach dem Angriff wurde die Zahl der Opfer doppelt so hoch angegeben, die Nachrichtenagentur
Reuters veröffentlichte Fotos, denen der Fotograf nachträglich dicke Rauchschwaden
hinzugefügt hatte.
Der Krieg endete mit einem Waffenstillstand am Morgen des 14. August 2006.
Mit einem »Konvergenzplan«, der an die ursprünglich von Ariel Scharon entwickelte Idee einer einseitigen Abkoppelung Israels anknüpfte, bot Ehud Olmert den Palästinensern an, innerhalb der durch die inzwischen errichteten Sperranlagen festgelegten Grenzen einen Staat Palästina zu akzeptieren. Im Gegenzug müsste dieser Grenzverlauf aber offiziell von der palästinensischen Seite anerkannt werden. Diese Lösung wurde bisher abgelehnt.
Am 27. November 2007 gab es unter der Schirmherrschaft von US-Präsident George W.
Bush und seiner Außenministerin Condoleezza Rice in Annapolis (Maryland) die ersten
Nahost-Friedensgespräche, in denen eine Zwei-Staaten-Lösung als gemeinsames Ziel offen
angesprochen wurde.
In einer gemeinsamen Erklärung betonten Ehud Olmert und Mahmud Abbas: »Wir bringen
unsere Entschlossenheit zum Ausdruck, Blutvergießen, Leiden und jahrzehntelange Konflikte
zwischen unseren Völkern zu beenden.«
Sie reichten sich die Hand und versprachen Bush, die Friedensverhandlungen bis zum
Ende seiner Amtszeit im Januar 2009 erfolgreich zu beenden. Die Erklärung war jedoch
trotz langer Verhandlungen im Vorfeld erst in letzter Minute zustande gekommen und
klammerte die Kernfragen nach dem Status Jerusalems und der Rückkehr der Flüchtlinge
aus.
Vertreter aus vielen Staaten, darunter auch arabische, waren auf der Konferenz vertreten
und mehrere Staatsmänner äußerten sich hoffnungsvoll, dass »neue Wege gefunden werden«.
Beachtlich war vor allem die Teilnahme von Staaten, die keine diplomatischen Beziehungen
zu Israel haben, und von denen die Vertreter Bahrains, Qatars, Marokkos und Pakistans
sogar Ministerpräsident Olmert die Hand schüttelten. Syrien hatte sich dem Druck aus
dem Iran widersetzt und seinen Vizeaußenminister geschickt: Auch dies ein Zeichen
dafür, dass sich ein Spalt zwischen den gemäßigten arabischen Kräften und dem Iran
und seinen radikalen Verbündeten von Hamas und Hisbollah auftut.
Wie groß die Kluft auch unter den Palästinensern ist, zeigte sich in dem von der Hamas
regierten Gazastreifen: 100.000 Menschen demonstrierten gegen den Gipfel in Annapolis
und die Verhandlungen mit Israel.
Noch im Dezember 2007 trafen sich Abbas und Olmert erneut, im Januar 2008 trat George
Bush die erste Nahostreise seiner Amtszeit an.
Aufgrund der anhaltenden innerpalästinensischen Konflikte und auch des Terrors aus dem Gazastreifen kamen die Verhandlungen jedoch vollends zum Erliegen. Auch der große Hoffnungsträger, der von 2009 bis 2017 amtierende Präsident Barack Obama, schaffte es nicht, neue Verhandlungen zu initiieren und so blieb der ihm schon zu Beginn seiner Amtszeit verliehene Friedensnobelpreis ein vergebliches Zeichen der Hoffnung.
Über den Jahreswechsel 2008/2009 reagierte das israelische Militär mit der »Operation Gegossenes Blei« auf anhaltenden Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen. Die Hamas hatte das Stück Land seit dem Rückzug der Israelis zu einer Terrorbasis ausgebaut und beschoss mit einfach zu bauenden und zu versteckenden Kassam- und Katjuscha-Raketen die in der Nähe des Gazastreifens liegenden Städte und Dörfer. 2012 gab es eine weitere Aktion gegen die Terrornester der Hamas: Mit der »Operation Wolkensäule« wurde erneut versucht, durch Luftangriffe den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen einzudämmen.
Das Ergebnis der Operationen war nicht sehr nachhaltig und 2014 wurde der Raketenbeschuss
wieder sehr massiv. Die Raketen hatten nun auch höhere Reichweiten. Zusätzlich wurden
Attentäter durch Tunnelsysteme oder über das Meer auf die israelische Seite der gut
befestigten Grenze gebracht.
In den ersten sechs Monaten des Jahres waren bereits viermal soviele Raketen aus dem
Gazastreifen abgeschossen worden, wie im gesamten Jahr 2013. Am 9. Juli 2014 erklärte
die Regierung, es seien in den letzten 24 Stunden mindestens 148 Raketen auf Israel
abgefeuert worden, davon drei auf Jerusalem und mehrere auf Tel Aviv. Eine Rakete
sei in Hadera eingeschlagen, 100 Kilometer von Gaza entfernt.
Diese Bedrohung zwang Israel zum Eingreifen. Weil die Raketen aus zivilen Gebäuden
wie sogar Schulen und UNO-Niederlassungen abgefeuert wurden, war mit Luftschlägen
nicht viel zu erreichen. Die Hamas rief die Bevölkerung auf, sich als menschliche
Schutzschilde zu postieren, um Luftschläge der Israelis zu verhindern. Gezielt nutzte
man das Ziel des israelischen Militärs, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
Die Hamas nahmen diese Opfer aber bewusst in Kauf, um sie dann in ihrer Propaganda
gegen Israel einzusetzen. Zudem schlugen etliche palästinensische Raketen aufgrund
ihrer Ungenauigkeit innerhalb des Gazastreifens ein.
Die Stimmung der Weltöffentlichkeit wandte sich im Verlauf des Konflikts schnell wieder
gegen Israel. Obwohl zu Beginn durchaus ein objektives Verständnis der Lage zu erkennen
war (so schrieb beispielsweise die Süddeutsche Zeitung: »Tote Zivilisten sind Teil
des Kalküls der Hamas«), wurde sehr schnell wieder Israel zum Kriegstreiber auserkoren.
Wieder einmal war zu beobachten, wie allein durch geschicktes Setzen von Schlagzeilen
die Tatsachen so beschrieben wurden, dass Israelis von Opfern zu Tätern wurden: So
titelte Spiegel Online am 13. August 2014: »Israel erwidert trotz neuer Waffenruhe
Beschuss aus Gaza«.
Letztendlich versuchte die israelische Armee mit dem Einsatz von Bodentruppen und
einem riskanten Häuserkampf die Terroristen auszuschalten. Nach wenigen Wochen war
dies gelungen und am 26. August trat eine unbefristete Waffenruhe in Kraft. Allerdings
war auch nach dem Krieg schnell festzustellen, dass weiterhin internationale Hilfsgelder
zum Neuaufbau der Terrorinfrastruktur verwendet wurden und nicht etwa für Bildung
und für Maßnahmen gegen Armut und Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung.
Erstmalig in größerem Stil kam vor und während der Einsätze im Gazastreifen das Raketen-Abwehrsystem Iron Dome (Eisenkuppel) zum Einsatz. Im Gegensatz zu den älteren und recht unzuverlässigen amerikanischen Patriot-Raketen, die schon während des Irakkriegs berühmt wurden, besticht Iron Dome durch äußerste Präzision und Effektivität. Innerhalb von Sekundenbruchteilen werden abgeschossene feindliche Raketen registriert, dann wird die Flugbahn berechnet. Die Abfangraketen des Systems kommen nur zum Einsatz, wenn das angreifende Geschoss auf bewohntem Gebiet einschlagen würde – andernfalls würde kein Schaden angerichtet werden und die Kosten von über 30.000 Euro pro Abfangrakete werden eingespart. Iron Dome ist sehr mobil und kann binnen Stunden an einen neuen Einsatzort gebracht werden. Am 1. August 2014 vermeldete das Militär insgesamt 547 abgefangene Raketen von knapp 3000, die auf Israel abgeschossen worden waren. Untersuchungen ergaben, dass die Trefferquote bei über 80 Prozent liegt.
Ein Meilenstein in den Beziehungen zu arabischen Staaten war das sogenannte »Abraham-Abkommen« im September 2020, an dem der damalige US-Präsident Donald Trump mitgewirkt hat. Friedensverträge wurden geschlossen. Zunächst mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, dann auch mit Bahrain und Marokko. Auch der Kosovo als muslimisches Land in Europa hat Anfang 2021 diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen. Die Botschaft wurde in Jerusalem eröffnet. Erst kurz zuvor hatten die USA und Guatemala ihre diplomatischen Vertretungen von Tel Aviv in die eigentliche Hauptstadt Israels nach Jerusalem verlegt.
Schon während des Sechstagekriegs hatte die israelische Führung erklärt, dass das wiedervereinigte Jerusalem nicht wieder in fremde Hände gegeben würde. 1980 wurde sie dann annektiert und zur ewigen Hauptstadt des Staates Israel erklärt. Dieser Schritt wurde international nicht anerkannt und bis heute befinden sich alle Vertretungen ausländischer Staaten in Tel Aviv.
Nachdem die USA bereits 1995 Jerusalem als Hauptstadt anerkannt hatten, wurde die Umsetzung des Beschlusses immer wieder ausgesetzt – bis 2017. Schon kurz nach seinem Amtsantritt versprach der umstrittene US-Präsident Donald Trump, die Botschaft der USA in absehbarer Zeit nach Jerusalem zu verlegen. Am 6. Dezember 2017 ließ er Taten folgen und erklärte öffentlich, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels sei. In seiner Rede sagte er unter anderem:
»Jerusalem ist heute ein Ort – und muss es bleiben –, an dem Juden an der Westmauer beten, an dem Christen die Stationen des Kreuzweges gehen und an dem Muslime in der Al-Aqsa-Moschee beten. Doch während all dieser Jahre haben Präsidenten, die die Vereinigten Staaten repräsentieren, es abgelehnt, Jerusalem offiziell als Israels Hauptstadt anzuerkennen. Überhaupt haben wir es abgelehnt, irgendeine israelische Hauptstadt anzuerkennen.
Aber heute erkennen wir endlich das Offensichtliche an: dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist. Das ist nichts anderes als die Anerkennung der Realität. Es ist auch das Richtige, dies zu tun. Es ist etwas, das getan werden muss.«
Die Weltöffentlichkeit reagierte empört, die Palästinenser riefen Tage des Zorns aus. Einer von der Türkei und vom Jemen eingebrachten Resolution in der UNO-Generalversammlung wurde mit wenigen Gegenstimmen zugestimmt – und damit Trumps Entscheidung bezüglich Jerusalem für »null und nichtig« erklärt. Auch Deutschland stimmte für die Resolution und damit gegen die USA und Israel. Doch Trump ließ sich – bisher – nicht davon beirren und Benjamin Netanjahu prangerte die einseitige Vorgehensweise der UN als »absurdes Theater« und das Votum als »grotesk« an.
Nur wenige Tage später forderten die USA den UNO-Sicherheitsrat auf, über die Lage im Iran zu debattieren, wo tausende Menschen gegen das Regime protestierten. Dies wurde mit der Begründung abgelehnt, es handle sich dabei um eine innerstaatliche Angelegenheit. Dass die Situation in Israel anders bewertet wurde und dass die gesamte Anzahl an UN-Resolutionen gegen Israel größer ist, als gegenüber allen anderen Ländern zusammen, zeigt sehr deutlich auf, nach welchen Doppelstandards in dieser Institution gewertet wird. Wenn man das Messen mit Doppelstandards als Merkmal von Antisemitismus sieht, dann kann man diesen der UNO – und allen Staaten, die die Resolution gegen Trump unterstützt haben – zurecht vorwerfen.
Am 7. Oktober 2023 sind soviele Juden ermordet worden wie an keinem anderen Tag seit dem Ende des Holocausts! Der schreckliche Angriff der Terrorgruppe Hamas am Morgen des Schabbat und am Feiertag »Simchat Tora« (»Freude an der Tora, den fünf Büchern Mose«) hat das Land erschüttert, etwa 1200 Menschenleben gefordert und Familien in Verzweiflung gestürzt. Bei einem »Friedensfestival« in der Nähe des Gazastreifens wurden über 250 junge Leute barbarisch ermordet. Viele Israelis wurden entführt und werden immer noch (Stand: 20.11.2023) als Geiseln gehalten. Tausende Raketen sind auf Israel abgefeuert worden. Das Militär wurde überrumpelt und hat lange gebraucht, die Lage in den Griff zu bekommen.
Im Norden blieb es überraschenderweise relativ ruhig, doch die Einwohner sind nun sehr angespannt und es gab oft Raketenalarm. Es wird nach wie vor befürchtet, dass auch die Hisbollah vom Libanon aus ihre Raketen abfeuert. Das Militär ist im Einsatz, die Bevölkerung ist aufgefordert, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben. Die Tore zum Ort Shavei Zion »sind Tag und Nacht geschlossen, bzw. bewacht, das Schwimmen im Meer verboten – zu groß die Sorge, dass israelische Araber sich den Terroristen anschließen«, heißt es auf der Homepage von unseren Partnern bei Zedakah. Bewohner aus dem Ort, die keine eigenen Schutzräume haben, fanden im Zedakah-Gästehaus Zuflucht.
Juden werden ermordet, regelrecht niedergemetzelt. Manches, was über die Medien zu sehen ist, erinnert an die dunklen Ereignisse, von denen unsere Zeitzeugen im Papierblatt-Projekt immer wieder berichtet haben. Jahre eines brüchigen Friedens sind vorüber und es ist völlig unklar, was die Zukunft bringt. Und auch außerhalb Israels hat sich schrecklicher Antisemitismus gezeigt, auch auf den Straßen Europas und Amerikas.